IRONMAN Germany

„Reiner-Döpke-Wetter“ beim IRONMAN Germany

Nach der unglaublichen Wärme am Samstag vor dem Rennen, den lautstarken Fußballfans im Frankfurter Citybereich und der geradezu stehenden Hitze in unserem Hotelzimmer, was wenig Schlaf zur Folge hatte, klingelte um 3 Uhr morgens unbarmherzig der Wecker. Auf den hatte ich schon gewartet. Seit Tagen fühlte ich mich gut, mit einer stetig steigenden Vorfreude.

Nervosität macht sich zum Glück seit einiger Zeit vor dem Wettbewerben kaum mehr breit, lediglich in den letzten 1-2 Stunden vor dem Start drückt die Blase – das gibt sich aber mit dem Startsschuß schlagartig. Von daher sind die Abläufe schon Routine: Wecker ausschalten, Piseln, Essen. Ich hatte mich diesmal für 2 Packungen Milchreis, 1 belegtes Brötchen 1 kalten Kaffe aus dem Supermarkt und 1 Banane entschieden. Danach noch mal kurz in die Waagerechte und warten bis die Verdauung anspringt. Wenn das Entsorgungsproblem gelöst ist, ist alles super.
Meine Trinkflaschen hatte ich schon am Abend vorher gemischt. Hier gab es die erste Änderung im Ernährungskonzept. Nachdem ich in den letzen beiden Jahren massive Magenprobleme zu beklagen hatte und mich nach der Mitteldistanz in Köln im letzten September erst viele Stunden später übergeben konnte/mußte, habe ich diesmal die Konzentration des Maltodextrin um 2/3 gesenkt. Zwei fertig gemische Flaschen plus 1 Flasche „Konzentrat“, die mit Wasser vermischt für weitere 4 Flaschen gut war. Pro Stunde wollte ich zwei Flaschen trinken und 1 Gel oder Riegel essen. Wenn die Maltomischungen aufgebraucht sind, wollte ich auf die angebotenen Power-Bar-Drinks umsteigen und pures Wasser vermeiden. Das war der Ernährungsplan für das Radfahren. Für das Laufen hatte keinen so richtigen, wollte aber mehr Isogetränke als pures Wasser trinken – je nachdem, was ich noch herunterbekomme.

Zurück zum Ablauf des „längsten Tag des Jahres“. Um viertel nach vier hielt mich nichts mehr im Hotelzimmer. Ich wollte Christine auch nicht unnötig auf den Wecker gehen. Also wanderte ich zum Römer, wo seit 4 Uhr die Shuttlebusse zum Langener Waldsee abfuhren. Dort wollte ich gerne früh sein, um in Ruhe eine Luftpumpe zu suchen und mein Rad auf Vordermann bringen zu können. Den Plan hatten wohl viele, zumindest die, die wie ich am Vortag Luft aus den Reifen gelassen hatten.

Trotzdem hatte ich das Glück, das mein Nachbar gerade eine Pumpe vom Bikeservice bekommen hatte und ich diese schnell schnorren konnte. Der Tag fing gut an. Schon um halb sechs wurde es langweilig 😉  Ich konnte noch einmal in Ruhe ein Dixi aufsuchen, den Weg vom Wasserausstieg zum Rad mehrmals abgehen und dabei das oft overstylte Material der anderen bestaunen. Mit einigen Leuten wechselte ich mehr oder weniger belanglose Sätze, die allgemeine Nervosität und Angespanntheit war deutlich fühlbar.
Ich liebe das: Zum einen die Musik und die Lautsprecheransagen bzw. -moderation, zum anderen die angespannte Ruhe unter den Athleten.
Heute morgen saßen sie bei aufgehendem Tageslicht noch cool mit Sonnenbrille im Bus, jetzt sind sie wie Du und ich. Der nächste Charakterwandel kommt nach dem Startschuß. Im Wasser wird oft geprügelt, was das Zeug hält. Auf dem Rad entspannt sich das ein wenig, auch hier geht es teilweise ruppig zu. Erst auf der Laufstrecke werden wir wieder fast alle zu Brüdern und Schwestern – wir leiden gemeinsam und bedauern uns gegenseitig. Kaum ist die Ziellinie überschritten, sind wir wieder alle cool – gleich wie gut oder schlecht wir tatsächlich abgeschnitten haben. Sonnenbrille auf.
Das ist übrigens unabhängig von der Wettkampfdistanz.

Kurz habe ich noch mit meinen beiden Vereinskollegen Tim und Holger getroffen, die waren aber auch beide irgendwie im Vorwettkampfstreß und waren noch so wirklich in Plauderlaune  😉 Beide erwartete ich aufgrund ihrer Schwimm- und Radstärke deutlich vor mir im Ziel. Holger liebäugelte mit einer „Sub 10“, für Tim ware es die erste Langdistanz.

6:30h, langsam aber sicher wurden wir aus der Wechselzone herunter an den Strand in den Vorstartbereich getrieben. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Kurz vor dem Start der ersten Startgruppe um 6:45h wurde die deutsche Nationalhymne gespielt. Das ist zusätzlich zu der oben angesprochenen ruhigen Atmosphäre ein weiterer Moment mit Gänsehautfeeling, der mit Klatschen der Athleten und Zuschauer jäh beendet wird. Die Erste Startgruppe, bestehend aus den Profis und weiteren 200 Alterklassenathleten wurde pünktlich um 6:45h durch den hessischen Ministerpräsidenten, Roland Koch, auf die Reise geschickt. Wohl eine seiner letzten Amtshandlungen.

Nun mußte selbst ich wasserscheuer Warmduscher ins Wasser. Wie die Lemminge rückten immer mehr Starter aus der Wechselzone nach. Ein beeindruckendes Bild. Rund 2000 Starter waren wir dann, als um 7 Uhr unser Startschuss fiel. Zunächst erschien mir das Wasser (natürlich) etwas zu kühl, im Laufe des Schwimmens wurde aber klar, dass die Entscheidung, den Neoprenanzug zu verbieten vollkommen berechtigt war. So fehlte mir zwar die sichere Auftriebs- und Gleithilfe (ich schwimme dann wesentlich ruhiger), aber ein Überhitzen war auch nicht drin.
Auf den ersten rund 500 Metern war das Feld ziemlich gedrängt, kein Wunder bei 8000 Armen und Beinen. Unsanften, mutwilligen Körperkontakt hatte ich zweimal. Beim ersten Mal trat mir jemand heftig in die Seite, was ich mit einem beherzten Ellbogenstoß konterte. Das muß nicht sein – weder von mir noch von dem Anderen.  Später drückte mich jemand von hinten unter Wasser und überschwamm mich. Das ist mir in Klagenfurt letztes Jahr auch passiert. In dem Moment bekomme ich dann doch einen leichten Anflug von Angst, weil ich nicht weiß, wie viel noch von hinten kommen, bzw. wann ich wieder zum Luftholen auftauchen kann.

Der Kurs war relativ leicht zu schwimmen, lediglich auf den Stücken vor und nach dem kurzen Landgang hatte ich keine Orientierungsmarke an Land und mußte mich auf meine „Vorschwimmer“ verlassen.
Nach 1:23h hatte dieser Part auch ein Ende. 2 bis 7 Minuten schneller, als veranschlagt. Der Wechsel passte inkl. des Laufens in der langen Wechselzone mit knapp über 5 Minuten genau mit dem Plan. Klar, das geht auch noch ein wenig schneller, aber warum?
Ab ging es auf die mit 184 KM aufgrund deiner Baustelle in Bad Vilbel verlängerte Radstrecke, für die ich 5:30h veranschlagt hatte. Das war nicht schnell, sollte aber dazu beitragen, dass ich den Marathon endlich einmal durchlaufen konnte.
Die ersten 12 KM von See bis zum Mainkai in Frankfurt, vorbei an den Zuschauertribünen, der nächsten Wechselzone und vor allem dem Zieleinlauf vergingen im Flug. Allerdings war die Radstrecke im Hauptfeld so voll, dass die im Reglement geforderten Abstände auch beim besten Willen nicht einzuhalten waren; deswegen schritten auch die Referees zu diesem Zeitpunkt des Rennens nicht ein. Ich will nicht von direktem Windschattenfahren sprechen, aber so ganz korrekt war es nicht. Das sollte sich auch bis KM 20 wenig ändern. Hier ging es zum ersten Mal bergan: „The Beast“ in Bergen-Enkheim. Nach weiteren 10 KM kam eine lästige Kopfsteinpflasterpassage von nur 300 Metern, die es aber in sich hat. „The Hell“ in Maintal-Hochstadt rüttelt einen ganz ordentlich durch.  Im Zweifel wird man hier vom Teufel höchstpersönlich verfolgt. Allerdings lassen hier auch viele Teilnehmer einen Teil ihres am Rad befestigten Equipments – auf der Straße.
Ab ca. KM 25 lockte dann der „Hühnerberg“ mit einem Anstieg von insgesamt knapp 4 KM nicht steil, aber lang. Auf den näcsten fast 50 KM hat man das Gröbste der Runde hinter sich. Erst in Bad Vilbel kommt dem den „Heart Break Hill“ der nächste nennenwerte Anstieg, danach geht es flach bzw. leicht bergab hinein nach Frankfurt zum Mainkai. Hier folgt die zweite identische Radrunde oder eben der Abzweig in die Wechselzone.
Zur Raddisziplin bleibt anzumerken, dass ich
a) die Anstiege für meine Verhältnisse sehr gut gemeistert habe – nicht zuletzt Dank der beiden Trainings auf Mallorca und im Sauerland
und
b) auf der zweiten Runde im Nachhinein betrachtet, zu viel Zeit habe liegen lassen. Bis zur Hälfte der Runde war ich unkonzentriert und habe einfach nur vor mich hingetreten.

Nach 5:27:53 war das Radeln beendet.

Mit knapp über 2 Minuten in der zweiten Wechselzone war ich genau im Soll. Ich fühlte mich nach wie vor gut, obwohl die Temperaturen weiter anstiegen und wohl schon an der 30-Grad-Grenze kratzten.

Der Plan: Langsam laufen, kontrolliert und gleichmäßig. Das ist mir auf den 4 Laufrunden eigentlich auch ganz gut gelungen; natürlich wurde ich von Runde zu Runde wesentlich langsamer. Das lag aber zum Glück – und darüber freue ich mich diebisch – nicht an der Bandscheibe. Die verhielt sich einigermaßen ruhig. Gehpausen habe ich auf freier Strecke nur einmal kurz eingelegt, sonst an sehr vielen Verpflegungsstellen, um entweder/oder/und Flüssigkeit zu trinken oder über den Körper zu kippen. Mit Christine hatte ich vereinbart, dass sie mir im Bereich der Verpflegungsstelle am „Eisernen Steg“ pro Runde eine Flasche mit kaltem Mineralwasser mit Kohlensäure anreicht. Das erfrischt mich, ist eine Abwechslung zu den meist waren Getränken ohne Kohlensäure und ich persönlich habe kein Problem damit.
Die erste Laufrunde schaffte ich trotz der ersten und einzigen Pinkelpause des langen Tages mit einem 5-Minuten-Schnitt;
In Runde zwei sank der Schnitt schon auf 5:26min/KM, Runde 3 auf 6:04 und in der vierten Runde sank der Pegel schon auf 6:10 min/KM.
Bei KM 40 realisierte ich, dass ich die 11-Stunden-Marke wohl doch knacken könnte, wenn ich jetzt durchlaufen und die letzten beiden Verpflegungsstellen auslassen würde. Unglaublich, wie lang sich dieses vorletzte Stück hinziehen kann. Ich rannte einfach nur vor mich hin, die Gedanken nahezu abgeschaltet. Den Abzweig zum Römer nahm ich war, musste aber noch ca 50 Meter parallel weiterlaufen, bis der rote Teppich und damit die letzen 160 Meter Gänsehaut begannen. Hände abklatschen, durch ein Spalier von tausenden Zuschauern laufen. Die Anspannung fällt schlagartig ab, keine Schmerzen, keine Anstrengung mehr. La-Ola selbst machen und dann die letzte Zeitmessung auf der Ziellinie. „Grandiose letzte Meter“ habe ich nach einem ersten Start in Frankfurt vor 3 Jahren gesagt. Ich kann es nur wiederholen. Nur für Sekunden spürst Du, wofür Du Dich monatelang gequält hast. Der Triumph hält ewig.

Nach der Ziellinie bekam ich die obligatorische aber umso mehr begehrte Medaille, das Objekt meiner Begierde. Ich stütze mich kurz mit den Händen auf den Knien ab, um einmal durchzuschnaufen. Schon sprang ein Helfer daher, stützte und wollte mich zum Sani bringen, weil er meinte, ich würde gleich kollabieren. So, wie viele andere. Ich fühlte mich super. Hatte keine Schmerzen, Magen- oder Kreislaufprobleme. Es kostete einige Zeit, um ihn davon zu überzeugen  😉


10:58:11h bedeuten für mich eine neue persönliche Bestzeit im 5. Rennen auf der Ironman-Distanz.
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Ein Kommentar

  1. Kann Hawaii froh sein, dass DU dich nicht auf EINEN Saison Höhepunkt konzentrierst, sonst müsstest du da auch noch starten!
    Glückwunsch zu dieser Klasse zeit!

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