München – Die Wallfahrt nach Andechs


Endlich!
Samstag um 5 Uhr früh war es soweit. Nach einem Jahr lagen zwei Wochen Urlaub vor uns und dazu noch ein Marathon-Wochende in München. Vor 5 Jahren war ich dort schon einmal ge
startet, damals war es mein zweiter Marathon; in diesem Jahr der 5. seit Ende April ;-)).
Die beiden Ironman eingeschlossen.

Wie schon vor 5 Jahren hatten wir uns am Fusse des Andechser Berges in einem Gasthof eingemietet – nicht besonders komfortabel und erst ruhig, nachdem auch wirklich die letzten Besoffenen vom Kloster heruntergetorkelt waren (so gegen 2:30h – der letzte Getränkeausschank ist um 20:00 Uhr!) , aber irgend wie schön – so eine Wallfahrt nach Andechs: Große Humpen, teure Haxen, so um die 15 EUR pro Stück (wird ausgewogen). Vom Plastikbesteck hat man seit Jahren Abstand genommen und liefert seit dem metallene Tools mit.
Irgendwie ist’s Kult.

Am ersten (Samstag) Abend gab’s erstmal keine Haxe für den Sportler. Dafür eine Maß Weizen und eine Riesenbrezel mit Wurstsalat, das hat ja auch was – entspricht aber wohl nicht der klassischen Ernährungsweise der gut trainierten und asketisch lebenden Sportler. Aber was soll’s: ein wenig Spaß braucht der Mensch.

Sonntag früh das übliche Ritual: um 6 Uhr ausfstehen – Kaffee trinken, um die Verdauung in Gang zu bringen und möglichst viel bis zur Abfahrt zu entsorgen. Frühstück in fester Form gibt es nicht, dafür ist es auf Andechs noch zu früh.

7 Uhr, Starnberg: McDonalds. Hier gibt’s was zu essen. „Sweet Breakfast“: 2 Coissants mit Butter, Marmelade und Nutella plus Kaffee oder Kakao. Geht doch.

8 Uhr, München, Olympia Stadion. Noch wenig Betrieb. Der Start ist erst in zwei Stunden. Noch ist es kühl, aber der Nebel hat sich verzogen und die Sonne macht sich breit. Ich ärgere mich schon jetzt ein wenig, dass ich mich für die 3/4 Hose anstatt einer Kurzen entschieden habe. Alte Frostbeule. Das zweite T-Shirt ziehe ich aus und auch die Kappe bleibt im Auto. Die (verspiegelte) Sonnenbrille hat Christine mir verboten – „siehst bescheuert aus“ (na und – wenn’s hilft?). Dann also nicht. Ich möchte ja nicht, dass sich wegen mir jemand schämt :-))
Kurz vor 10:00 Uhr: Allmählich wird es Zeit, sich einen Platz im Starterfeld zu suchen. Möglichst in der Sonne – es ist noch kühl.
Ungewollt stehe ich unmittelbar vor dem 03:15-Stunden-Läufer. Schiet. 30 Meter weiter vorne wäre besser gewesen, aber der Starterblock ist für einen Wechsel schon zu voll.

Nach mehreren Startschüssen geht es unter musikalischer Begleitung der „Feldkirchener Blaskapelle“ los auf die 42.195 Meter Sightseeing-Strecke quer durch die Landeshauptstadt. Von Anfang an finde ich einen guten Rhythmus, der mir zwar etwas zu schnell erscheint, aber gut laufbar ist und Spaß macht.

Bei KM 8 erreichen wir den Englischen Garten, durch den wir nun ca. 7 KM rennen werden. Hier wird es zeitweilig etwas eng. Was ich nicht realisiere: Als es am vollsten wird, überhole ich die Gruppe um den 3-Stunden-Zugläufer. Lange laufe ich mit 4 oder 5 Leuten in deiner Gruppe, wobei sich einer ständig nach hinten (wo ich laufe) umsieht. Das geht mir auf den Geist, ich komme aber nicht dauerhaft an ihm vorbei. Später stösst ein Portugiese zu uns, der bei jedem Atemzug merkwürdige Geräusche von sich gibt. Auch das kann ich nicht gut haben. Muss sehen, dass ich wieder alleine laufe.
Halbmarathon in 1:27h – das ist in Ordnung und schneller als gedacht. Eine Zeit um die 3 Stunden scheint also drin zu sein.

Erst irgendwo nach KM 29 laufe ich wieder alleine . Ich fühle mich relativ gut, und habe vor allem nur wenige negative Gedanken, die ich leicht wegschieben kann. Die Portugiese und der „Umseher“ sind irgendwo hinter mir.

KM 35: Jetzt wird es allmählich schwer. Ich merke, wie meine Kräfte sich dem Ende entgegenneigen. Noch könnte ich gaaaaanz knapp unter 3 Stunden durch’s Ziel laufen, aber es wird unwahrscheinlicher mit jedem Meter.
Jetzt läuft der 3-Stunden-Zugläufer langsam, aber doch zu schnell für mich, vorbei. Merkwürdigerweise werden er und einige in seiner Guppe immer langsamer – bis er das Schild „03:00h“ einpackt. Dann ist er wieder hinter mir.

Kurz vor KM 39: Ich kämpfe mit dem Durst und steigender Erschöpfung. Dennoch bin ich noch vergleichsweise gut drauf.
Ein Schlüsselerlebnis. Kein schönes dazu. Auf einer Strassenkreuzung bei ca. KM 39,8 kurz vor dem nächsten Verpflegungsstand liegt ein Läufer bewusstlos auf der Straße. Mehrere Helfer stehen dort und versuchen ihn wiederzubeleben. Helfen kann ich nicht. Der Notarzt kommt kurz nachdem ich an der Stelle vorbeigelaufen bin.
Danach denkst du ganz anders über dein persönliches Befinden und deine Nöte. Der Verpflegungspunkt war meiner. Ich blieb stehen und trank zwei Becher Wasser und Iso. Scheisswas auf die 15 Sekunden. Danach hatte ich noch etwas mehr als 2 KM ins Ziel. Die scheinen bei jedem Marathon besonders lang zu sein.

Der Olympiapark kommt in Sicht – hier bin ich eben erst gestartet und jetzt schon wieder da. Noch keine 3 Stunden später. Gut 1 KM noch. Ich sehe gut aus, rufen die Zuschauer – sehe ich immer ;-))
Aber: im Prinzip fühle ich mich auch so.

Leider wird in diesem Jahr nicht Vangelis‘ „Conquest of paradise“ gespielt, dennoch hatte ich wieder eine riesen Gänsehaut, als ich durch das Marathon-Tor durch den Nebel hindurch in das tolle, riesige Olympiastadion lief. 350 Meter noch auf der Tartanbahn erst in der letzten Kurve vor dem Zielbogen sah ich Christine und Jennifer winkte, fühlte mich klasse und lief als 185. nach 03:01:31 über die Zielmatte.

Keinesfalls traurig – ehr froh darüber, nach dieser anstrengenden Saision noch ein so gutes Ergebnis erzielt zu haben. Nach keinem meiner jetzt 14 (Solo-)Marathons habe ich mich so gut gefühlt. Klar war ich müde und die einen oder anderen Bänder, Sehnen oder Muskeln meldeten sich zu Worte aber keine Anzeichen von totaler Erschöpfung. Auch essen konnte ich ohne Probleme, was in letzter Zeit nicht unbedingt normal für mich ist.
Die warmen Duschen im warmen Olympiabad taten ein übriges, danach ein Sonnenbad mit einem halben Weizen (nicht alkoholfrei), und der Tag war mein Freund.

Zurück auf Andechs: Der Biergarten vor dem Gasthof ist rappelvoll. Also bleibt uns nur die Pilgerfahrt auf den 300 Meter entfernten Klosterberg. Auch hier drangvolle Enge, aber wir finden noch ein Plätzchen in einem Biergarten, bevor wir in die Klosterschänke wechsel und hier endlich die wohlverdiente, sauteue Haxe „geniessen“. Die Maß Weizen natürlich umsomehr.

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