Radreise

Glücklich auf zwei Rädern


Alleine mit mir und der Natur. Die Stille hören. Herunterkommen und erholen.

Seit dem der Zahn der Zeit etwas an mir genagt und mir die Freude zunächst am Laufen und später auch am Triathlon mächtig verdorben hat, brauchte ich neue Ziele, neue Herausforderungen abseits des Alltags.

Im Laufe der Jahre entwickelte sich daraus ein Heidenspass. Der initiale Zündfunke war die Reise quer durch England. Von „End to End“, die ich damals noch mit meinem modifizierten Rennrad, dem „Kleinen Schwarzen“ absolvierte. Über 3.050 Kilometer in 21 Tagen, quasi im Rennmodus.

Obwohl der Urlaub einer der geilsten war, die ich jemals verbringen durfte, gewöhnte ich mir in den folgenden Jahen einen gemächlicheren Fahrstil an und fand heraus, dass Tagesetappen von unter 100 Kilometern das Optimum für mich sind und es auch sinnvoll sein kann, einfach einmal einen oder mehrere Tage irgendwo stehen zubleiben.

Das Rad habe ich durch die Trägerrakete ersetzt und B&Bs oder Hotels habe ich gegen mein Zelt getauscht. Das ist nicht immer wirklich bequem, aber es ist einfach herrlich 24 Stunden am Tag in der Natur zu verbringen.

Was ist eigentlich eine (Rad)Reise?

Keine Angst. Ich werde hier nicht urplötzlich zu einem Philosophen, aber es gibt durchaus und berechtigterweise unterschiedliche Sichten. Vorweggenommen: Ich denke, es gibt nicht „die“ Reise.

Es gibt Reisende, die so wie ich im Moment unterwegs sind. Für manche von ihnen sind Pauschalreisen schlichtweg ein No-Go. Womöglich noch Strandurlaub, all inklusive. Iiiihhhh….. Urlaub wie zuhause, nur anderswo rumgammeln. Die Sehenswürdigkeiten besichtigen, zu denen alle rennen. Nichts vom Land sehen und doch einen guten Spot für DAS Foto auf Instagram finden um sich von anderen abzuheben.

Sehenswürdigkeiten werden übrigens nicht umsonst so genannt…

Für die Pauschaltouristen ist es vermutlich ein Unding, mit den Zelt auf dem Rad unterwegs zu sein. Bei Wind und auch bei Wetter. Auf allen Vieren durchs Zelt kriechen und sich das (Vor)Zelt mit Ungeziefer und feuchter Wäsche teilen. Iiiihhhh…
Das macht in der Tat nicht immer Spaß und ist nicht durchweg schön (hinterher schon 🙂  ) und der Rücken schmerzt.

Facetten zwischen beiden Urlaubsformen gibt es unzählige.  Reisen in Bussen, Bahnen, Wohnmobilen, Campern, zu Fuß, Cruises auf dem Fluss oder dem Mega-Kreuzfahrer…. Im Inland, Europa, Asien, weltweit… Ich will nicht näher darauf ein gehen. Das führt zu nichts.

Wenn ich reise, dann liebe ich die Einsamkeit. Ich bin gerne für mich alleine, suche mir die entlegenen Stellplätze auf dem Zeltplatz und wenn ich ich mal in ein Restaurant gehe, auch einen abgelegenen Tisch. Wohl wissend, dass ich nicht im Fokus der Servicekraft stehen werde – was mich dann ärgert. Habe ich es schon einmal erwähnt? Ich bin oder fühle mich dabei nicht einsam oder alleine, aber ich genieße diesen Status, diese Gefühle sehr.
Sehenswürdigkeiten meide ich ebenso wie Menschen. Ich lerne also die Kultur und eben die Menschen nicht wirklich näher kennen. Reime mir so einiges zusammen und versuche mir ein Bild aus einer entfernten Perspektive zu machen. Bei den Sehenswürdigkeiten unterwegs stellt sich zumeist noch das Problem, dass ich mein gesamtes Hab und Gut dabei habe und es ungern an Gelegenheitsdiebe verlieren würde. Das setzt mich unter einen gewissen Druck.

Ich habe auch viele Urlaube mit der Familie in Ferienwohnungen und Ferienhäusern gemacht. All-In-Urlaube auf Malle und in Marokko. Die waren alle schön und viele bleiben mir hoffentlich noch weiter und für sehr lange Zeit in sehr guter Erinnerung.

Erholung durch (trotz) Anstrengung

Ja klar. Reisen auf dem Rad ohne „E“ sind manchmal anstrengend und erfordern eine gewisse Fitness. Egal, ob das durchschnittliche Tagesziel je nach Fitnesslevel bei 30, 100 oder 200 Kilometern gesteckt ist. Wenn ich zudem mit dem gesamten Hausstand unterwegs bin, erfordert es mehr Anstrengung als wenn ich auf  Übernachtungen in festen Wänden aus und leichter unterwegs bin. Im letzten Fall werden die täglich zurückgelegten Entfernungen womöglich länger.
Die Erholung stellt sich recht schnell ein. Durch die Ruhe, die man im Wortsinn erfährt, lässt den Alltag zumindest vorübergehend in den Hintergrund rücken.  Die Luft ist gut, der Hunger und Durst auch. Die Augen und Muskeln haben immer etwas zu tun. Müde wird man von alleine. Wach auch.
Nach dem für die meisten unter uns unabwendbaren Ende einer Radreise bleibt bei mir eines: Zufriedenheit. Begleitet von ständigem Hunger und einer gewissen Trägheit, die ich versuche, mir möglichst lange wie einen kostbaren Schatz aufzubewahren. Sie bildet für einen absehbaren Zeitraum im Alltag die Schutzhülle, die Eierschale um mich herum, die mich vor einer all zu schnellen Rückkehr in die täglichen Gepflogenheiten bewahrt.

In- oder Ausland?

Ich bin gerne im Ausland. Lieber dort, wo man mich versteht, also englisch spricht. Ich mag es ganz und gar nicht, wenn ich andere deutsche Landsleute im Ausland höre, die zunächst versuchen, sich auf deutsch zu verständigen. DAS ist für mich eine No-Go. Entweder frage ich höflich, ob man deutsch oder englisch spricht, oder verlege mich gleich auf das Englische. Ich schweife ein wenig ab…
Es gibt soooo viele schöne Ecken in Deutschland, die ich noch immer nicht gesehen habe. Auch gleich um die Ecke gibt es Schönheiten, die es zu Entdecken gilt.
Das europäische Ausland ist sehens- und entdeckenswert. Mich persönlich zieht es nur ganz wenig nach Übersee. Patagonien wäre neben Thailand eines meiner Favoriten. Für eine Weltreise bin ich vermutlich nicht gemacht. Ich finde so etwas sehr aufregend und erstrebenswert, wenn man es sich leisten kann und das weitere Leben nach dem Ende der Weltreise gesichert ist. Persönlich benötige ich jedoch ein gewisses Level an Sicherheit. Sicherheit, was Hygiene angeht. Sicherheit aber auch erneut im Wortsinn. Na ja: Mal sehen, was ich mir im Rentenalter so antun kann und möchte.

Ein Tourist bin ich sowieso. Selbst in der Stadt nebenan. Vollkommen gleich, ob auf dem Rad oder als Pauschalbucher.

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