Die Insel Islay (sprich: „Eilah“) ist das Ziel für die nächsten zwei Tage, als ich mich heute früh aufmachte.
Ich habe so ruhig gut geschlafen, als mich ein Schwarm lauter Krähen um kurz nach 6 Uhr weckte. Warum gibt es hier eigentlich nur so wenige Möwen? Ein Blick aus dem Fenster in den Garten: Sonne! Der Online Wetterbericht meint, es würde auch die nächsten Tage so bleiben. Wenig Regen, wenig Sonne, annehmbarer Wind. Ideal. Drück die Daumen…
Endlich! Da isses, das full english breakfast. Leider nur englisch, nicht schottisch. Haggis fehlt, dafür gibt es black pudding als Ersatz. Auch gut.
Bereits um 8:20 Uhr hatte ich aufgesattelt und war bereit zum Angriff auf die nächsten 52 Kilometer zur Fähre in Kennacraig. Indes war die Sonne nicht mehr bereit. Es zog Nebel auf während ich in Richtung Norden über die Halbinsel Kintyre, auf der ich eigentlich zum „Mull“ fahren wollte, das Paul McCartney und die Wings einst besungen haben. Das das südliche Ende der Halbinsel aber nur mühsam zu erreichen ist, davon ist in dem Song keine Rede. So weit ich das weiß. Das Mull liegt übrigens nur 13 Meilen von Irland entfernt. Hast du das gewusst? Ich auch nicht.
Kurz nach Campbeltown ein paar Wellen zum Anschwitzen. Das kann nicht schaden – es hat nur 12 Grad und ich habe heute etwas mehr wärmende Kleidung als sonst in den Taschen gelassen. Recht schnell habe ich die Westküste erreicht, die plötzlich ein völlig anderes Bild von Kintyre abgibt. Keine urigen, üppigen Wälder mehr. Dafür Strände aus Sand und Kies, unterbrochen von markanten Felsen auf der linken Straßenseite während es auf der Rechten ziemlich schnell ziemlich hoch geht.
Die Sonne kämpft, da kann man ihr nichts vorwerfen. Wo sie durchkommt sind es schnell 16, 17 Grad. Im Nebel nur noch 12. Beides wechselt sich in schneller Folge ab. Die schöne Gegend ist wie in den letzten Tagen oft nur zu erahnen. Ein wenig ärgert mich das mittlerweile schon.
Nach 2 Stunden stehen die ersten 41 Kilometer auf dem Tacho. Es läuft bei mir. Das Sägeblattprofil der Streckenplanung ist stumpf. Die Straße folgt etwas wellig weitgehend der Küstenlinie. Dann geht es über 5 Kilometer ins Landesinnere und damit bergan. Etwas schnaufen, viel Schweiß und schon bin ich drüber und fahre hinunter zum Fähranleger in Kennacraig. 90 Minuten vor der Abfahrt. Hungrig und durstig. Außer einem Automaten für Heißgetränke gibt es an der Stelle nichts zu erstehen. Ein Becher Kaffee für 1,50 reicht. Wechselgeld gibt der Automat nicht heraus, also 2 Pfund.
Auf der Fähre gibt es einen separaten Raum, in dem die Fahrräder untergebracht und, wenn man will und es selbst macht, festgezurrt werden können. Außer mir ist noch ein finnisches Paar mit einem Tandem unterwegs. So ganz viel Motivation scheinen sie schon nach dem ersten Tag auf Kintyre nicht mehr zu haben obwohl nur leichtes Gepäck dabei haben.
Regelmässig wird mein Setup begutachtet, über das Gewicht diskutiert, und darüber gerätselt, was Notström am Rahmen wohl für eine Funktion haben mag. Manche glaubten schon, es wäre der Akku für das E-Bike 😂😂
Das Wasser ist sehr ruhig während der zweistündigen Überfahrt. Leider wieder sehr diesig, so daß Jura und Islay zunächst nur schemenhaft zu sehen sind. Wieder sehr schade. Die Fähre fährt ausgesprochen langsam in den immer enger werdenden Sound of Islay zwischen den beiden Inseln ein und lässt tolle Aussichten auf die nahen Uferregionen links und rechts zu. Ich glaube, ich muss hier mal Wanderurlaub machen. Auch Jura scheint mit seinen bis zu 800 Meter hohen Berge eine Reise wert zu sein.
Am Fähranleger stehen nur ein paar Häuschen unď auch weiter oben kommt nicht mehr viel. Außer Hinweisschildern zu zwei Destillerien. Wilkommen auf der Whisky-Insel Islay!
Willkommen im Nichts. Wenig Verkehr auf den wenigen Straßen, die die wenigen Ansiedlungen mit den wenigen Menschen verbinden. Ca. 3400 Menschen bewohnen Islay. Wie viele davon arbeiten wohl in den 9 Destillen?
Islay begegne ich mit einer gewissen Anspannung aus Vorfreude und Ungewissheit. Ich habe sehr lange überlegt, zwei Nächte auf dem einsam gelegenen Hof „Kintra Farm“ direkt am Meer zu verbringen. Allerdings sind die Kritiken über die Menschen dort überwiegend seeeehr spooky, was die Gastfreundlichkeit und Benehmen angeht. Auf diesem Campingplatz zu sein, soll annähernd so wie wildes Campen sein, nur eben mit einer Toilette und Dusche. Da der Hof an einer traumhaften Bucht, dem schönsten Sandstrand Islays, liegt, muss ich aber trotzdem hin. Mehr dazu morgen.
Mein erster Stopp nach dem Landgang in Port Askaig war der Campingplatz von Port Charlotte.
Der Weg dahin von Port Askaig? 26 Kilometer immer der Nase lang. Nur einmal in Bridgend links abbiegen nicht vergessen. Die Umgebung ist nicht so furchtbar spektakulär, aber genau so, wie ich es erwartet habe. Auf dem Campingplatz stehen 2 bis 3 Hände voll Zelte und bei paar Wohnmobile direkt am Wasser. Wohnwagen gibt es hier nur wenige. Erneut ist es diesig und der ganz tolle Blick auf den Loch Indaal bleibt aus, wenngleich man ans andere Ufer sehen kann.
Midges sind heute nur wenige unterwegs. Der ständig drehende Wind ist etwas zu stark für die kleinen Armleuchter. Zu kühl ist es auch und die Luftfeuchtigkeit zu niedrig.
Die Chemiekeule bleibt in den Packtaschen, den Rest der Viecher erledige ich mit einer Whiskyprobe.
Cheers!