Fühlt sich an wie Urlaub

Aufgrund der tollen Wettervorhersage kam mir am Dienstag der Gedanke, am Samstag und Sonntag ein wenig das Zelt und die neue Ausrüstung zu testen. Alfsee, Sauerland, Weserbergland…?

Saskia hat mir dann den Floh ins Ohr gesetzt. „Fahr doch schon Freitag…“ Viel Überredungskunst hat’s nicht gebraucht und so ich habe am Donnerstagabend ohne viel Plan meine Taschen gepackt und rasch einen machbaren Rundkurs auf den Garmin geladen. Nicht zu lang, aber mit ein wenig Höhenmetern.

Freitag kurz nach Mittag habe ich mich auf den Weg gemacht. Schnelle 65 flache Kilometer zur Lippstädter Seenplatte waren vergleichsweise schnell gemacht. Harsewinkel, Rheda, Lipperode. Wenig spektakulär. Da habe ich gerade im Lipperland Schöneres erwartet. Aber herrlich war es in der Natur zu radeln, den warmen Wind auf der Haut zu spüren und den Duft des Frühlings in der Nase zu haben. Die Sinne sind geweckt. Lang genug war der Winter.

Nach ziemlich genau drei Stunden habe ich angefangen, mein Zelt auf dem Campingplatz aufzubauen.

Zu essen gab es auf dem Platz nichts. Gerade so konnte ich noch ein paar Hefe Hell im Hof-Cafe ergattern, bevor es schloss. Nudeln und Pesto hatte ich ja dabei und so war das Abendessen kein Drama. Beim Nudeln kochen hat mich dann ein anderer Radler, ein wirklicher Freak, der das ganze Jahr im Zelt lebt, vollgequatscht. Die erste Rutsche Nudeln war also verkocht. In diesem Fall war es gut, dass das Fassungsvermögen meiner Töpfchen sehr überschaubar ist und ich weitere zweieinhalb mal kochen musste um 250 Gramm zu verwerten.

Am Badesee gegenüber gab es nach Sonnenuntergang noch ein Schlummerbier, bevor ich mich in meine Höhle verkroch. Ruhig wurde die Nacht nicht. Besoffene Engländer nebenan. Quakende Frösche im See – Trilliarden müssen es gewesen sein, die erst in den frühen Morgenstunden Ruhe gaben. Etwa so lange waren auch Landmaschinen aktiv. Bei Sonnenaufgang weckte mich früh das Gelaber der Vögel und… ein Specht. Wirklich niedlich so ein Tierchen. Das Pockern an den Stamm ist in etwa zu vergleichen mit dem Schnarchen der Lebenspartnerin, während man selbst versucht, in den Schlaf zu kommen. Fast rhythmisch. Aber eben nur fast 😉

Kurz nach sechs musste ich pieseln, bevor ich mich gute zwei Stunden später endgültig aus dem Schlafsack quälte und mir zwei Kännchen Kaffee bereitete. Der Hofladen gab nichts her und so plante ich erst später unterwegs bei einem Bäcker zu frühstücken.

Nachdem das Zelt so halbwegs abgetrocknet war, machte ich mich gegen 10:30 Uhr auf die Reise in Richtung Möhnetalsperre. Nicht unbedingt der direkte Weg zum Diemelsee, aber ich wollte es ja nicht anders. Nach einem schnellen Frühstück in einer Lippstädter Bäckerei schon kurz nach dem Start konnte ich die Trägerrakete in Ziel-Position bringen. Trotz des hohen Gewichts macht es extrem viel Spaß mit ihr zu fahren. So ab 5% Steigung kommt man erheblich ins Schwitzen, 10% machen eher wenig Spaß. Bei 14 % bezweifelt man den Sinn des Handelns. Aber das ist ja immer so, wenn es aus der Komfortzone geht. Auch auf dem Rennrad in den Alpen oder selbst  am Liener Berg. Mit vollem Gepäck kann man die Qual halt noch länger genießen.

Die Landschaft blieb unspektakulär, ununterbrochen ging es bergan, nur von wenigen Rollerpassagen unterbrochen.

Am Ostufer des Möhnesees gönnte ich mir ein kaltes alkoholfreies Weizen, ehe ich mich nach nur kurzer Pause auf den Weg durch das beschauliche Möhnetal machte. Ein gut ausgebauter Radweg führte mich dabei an den meisten Ortschaften vorbei bis nach Brilon.

Gefühlt hat sich das Tal seit vielen Jahrzehnten kaum verändert. Damals habe ich in den Ferien ab und an meinen Lieblings-Onkel Paul auf Ausliefertouren im Lkw begleitet. Garagentore. Von denen habe ich in der Gegend auch einmal mehr als geplant „abgeladen“, als ich im Übereifer mehr Sicherungsdraht als notwendig gekappt habe. Das hat ganz schön Krach gemacht, als die Tore auf den Hof fielen 😂 I can tell you…

Nach ein paar wirklich ätzenden Rampen auf den den letzten 15 Kilometern erreichte ich dann auch die Staumauer des Diemelsee. Weder See noch Staumauer sind wirklich spektakulär. Fotos habe ich keine mehr gemacht.

Der kleine Campingplatz an Ufer des Sees gab nicht viel her. 2-3 Stellplätze für Zelte und der Rest für Dauercamper, von denen mich auch unmittelbar wieder jemand anquakte. Zum Glück kein E-Biker, wie ich zunächst vermutete.

Erneut gab es weder einen Laden auf dem Platz noch in der Nähe. Kein Laden, kein Bankautomat. Letzteres sollte sich als schwerwiegend herausstellen – ich hatte nur noch 25 EUR in bar dabei und musste dringend Essen und Trinken. Gegenüber am Mini-Golfplatz gab es das, aber eine Kartenzahlung war nicht möglich. Ein anderes Restaurant im Dorf gibt es nicht. Da ich weder Vorräte für ein weiteres Abendessen noch für ein Frühstück dabei hatte, musste ich mein Geld dort lassen. Das Weizen schmeckte ja dann auch irgendwann…

Zum Glück gibt es direkt neben dem Campingplatz ein Hotel, in dem ich gegen Kartenzahlung ein Frühstück bekommen habe. Und was für eines 😉 Schon um halb acht stand ich nach einer erneut unruhigen Nacht auf der Matte. Bis auf Fisch gab es alles, was mein Herz begehrte. Schade, das ich nicht so viel essen kann, wie ich möchte…

Obwohl das Zelt um 10 Uhr noch immer nicht von Tau- und Kondenswasser getrocknet war, machte ich mich auf den Weg in die Heimat. Zweieinhalb Kilometer recht flach am Ufer entlang bis zur Staumauer. Dann war es auf den nächsten gut 10 Kilometern mit der Beschaulichkeit weitgehend vorbei. Rampen mit bis zu 14% versuchten das Frühstück wieder aus mir herauszudrücken, schafften es aber nicht. Schweiß lief dafür in wahren Bächen an mir herab. Mein Weg führte mich durch das schöne Almetal bis nach Weine, kurz vor Geseke. Ein kurzer Boxenstopp am Autohof an der A44 in Geseke zum Getränke auffüllen und ein Twix zu essen, reichte dann aus um mich nach Hause zu bringen.

Zugegeben. Die letzten 20 Kilometer wurden recht zäh. Leider hatte keiner der Biergärten, die unmittelbar an meiner Strecke lagen, geöffnet. Dennoch. Nach 119 Kilometern an diesem Tag und 277 Kilometern insgesamt stand ich wieder zuhause im Garten.